Reviews in German

Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2000

Timothy Tikker perfekt auf der Ladegast-Orgel

US-Organist beeindruckte mit Konzert im Dom

Altstadt Das vorletzte Orgelkonzert der sommerlichen Reihe im Dom bereitete ein außerordentliches künstlerisches Erlebnis. Zu Gast war der amerikanische Organist Timothy Tikker. Auftrittsort seiner diesjährigen Tournee war neben Paris und Bonn auch Schwerin. Tikker studierte u.a. in San Francisco und in Paris bei Jean Langlais. Zur Zeit ist er Organist an der Kathedrale von Charleston in den USA.

Nach seinem Konzert an er Ladegastorgel im Schweriner Dom erzählte er, dass es im Vergleich zum Dom nur eine kleine Kirche sei, an der er seinen Dienst tue – mit Plätzen für etwa 500 Personen. Sein interpretatorischer Favorit sei Franz Liszt. Da käme ihm das Schweriner Instrument sehr entgegen. “Allerdings lässt sich die Ladegastorgel ziemlich schwer spielen. Man muss sich länger einspielen”, so Tikker.

Davon war allerdings bei seinem Konzert nichts zu spüren. Im Gegenteil. Alles lief wie selbstverständlich und sehr souverän. Das war ganz sicher seiner technischen Souveränität geschuldet. Es floss nur so aus seinen Fingern, exakt, musikalisch durchgeformt, interpretatorisch untadlig, geradezu jungendlich ungestüm, immer etwas ausdrücken wollend.

Zu Beginn spielte Tikker ein eigenes Werk, eine Komposition aus dem Jahre 1998. Typische Rhythmen durchziehen das Stück, verleihen ihm den besonderen Charakter. Danach der begehrte Liszt, gefolgt vom Jubilar Bach mit drei Choralvorspielen, die aber noch ein wenig der inhaltlichen, stilistischen Aufarbeitung bedürfen. Das war jedoch nur ein Randproblem der angestrebten Perfektion. Zum Abschluss Marcel Dupré, Evocation op. 37 in drei Sätzen. Eine ungewöhnliche Interpretation, gewöhnungsbedürftig, doch ungestüm vortragen, jederzeit souverän. Jederzeit war der Drang zur Veräußerung spürbar, kennzeichneten die herrlichen Registrationen die musikalischen Weiten und Tiefen. Ein beeindruckender Abend, der mit viel Applaus gekrönt wurde.

– Dietmar Unger, Schweriner Volkszeitung, 19. September 2000

“Der Herr ist mein Hirte”, tröstet leise Psalm 23
KONZERT Timothy J. Tikker an der Münster-Orgel

Von Fritz Herzog

Von Charleston an den Rhein: Der junge amerikanische Kathedralorganist Timothy J. Tikker war zu Gast an der Großen Klais-Orgel in der Münsterbasilika. In den drei Schübler’schen Orgelchorälen “Wachet auf, ruft uns die Stimme”, “Wo soll ich fliehen hin” und “Kommst du nun, Jesu” ebenso wie in Praeludium und Fuge C-Dur erwies sich Tikker als ein bei aller Spielfreude gut disponierter and disponierender Bach-Interpret, dessen eigentliche Meriten, wie sich bei Liszts Präludium und Fuge über “B-A-C-H” bereits anzudeuten schien und durch die Auseinandersetzung mit Tournemire und Dupré bestätigt wurde, im Übergang von der Spätromantik zur moderne liegen – mit einem offensichtlichen Schwerpunkt auf dem französichen Repertoire.

Tournemires “2ème Poème” liegt der tröstende Psalm 23 (“Der Herr ist mein Hirte”) zugrunde, die musikalische Umsetzung dagegen ist gedankenvoll, eher zögerlich, leise und zurückhaltend, in stets gedeckter Farbgebung. Tikker gelang eine sehr einfühlsame Realisierung dieses spezifischen Idioms.

Das Hauptwerk des Programms, Duprés großdimensionierte “Evocation”, ragt stilistisch am weitesten in die Moderne hinein. Hier wird dem Solisten ein geradezu epischer Atem abverlangt; er muss seine mannigfachen Gestaltungsmöglichkeiten derart unaufdringlich ins Spiel bringen, dass das Werk nicht aufgeschwemmt wirkt. Eine Aufgabe, die Tikker sehr geschmackvoll und mit souveräner Sicherheit meisterte.

“Tiento de Batalla sobre [el] Baletto del Granduca”, unter disem ein wenig surrealistisch anmutenden Titel war der Organist eingangs als historisierender Komponist in Erscheinung getreten, der die Möglichkeiten des Bonner Instruments bei der Tiefenstaffelung zu einem plastischen Ausdruck zu nutzen verstand.

General-Anzeiger, Bonn, 2.-3. September 2000

Orgelkonzert Münster
Liszts Hommage an Bach

Von Niels Rühle

Bonn. Er kam aus Charleston, USA, aber sein Programm war europäisch und wenig tänzerisch: Timothy J. Tikker, Komponist und Organist, bestritt das neunte Konzert des Orgelsommers in Bonner Münster vor allem mit Werken von Bach, Liszt, Tournemire und Dupré.

Ausnahme war einzig das selbst komponierte Eingangsstück, “Tiento de Batalla sobre la Baletto del Granduca”, in dem archaische Tanzmelodien spielerisch klanglich und rhythmisch verfremdet wurden. Die amerikanische Leichtigkeit, die hier zu spüren war, prägte auch Tikkers Interpretationen Bachscher Werke: Die drei Choralvorspiele “Wachet auf, ruft uns die Stimme” BWV 645, “Wo soll ich fliehen hin” BWV 646 und “Kommst du nun, Jesus, vom Himmel herunter” BWV 650 gab er locker, in kontrastierenden Klangfarben, doch stets durchsichtig, luftig, eben ganz im Vorspielcharakter. Erst Praeludium und Fuge C-Dur BWV 545 kamen in kraftvollem, brausenden emphatischen Ton daher.

Emphatischer Ton mit großen Gestus, ins romantisch Expressive gewendet, zeichnet auch Liszts Praeludium und Fuge über den Namen B-A-C-H aus: Tikker registrierte hier noch differenzierter, bewältigte mühelos all technischen Schwierigkeiten und zeigte sich auch in Phrasierung und Agogik bestens mit dem aufwühlenden und aufgewühlten trotz Bezeichnung ganz und gar unbarocken Werk vertraut. Wie zur Erholung des Gemüts erklang danach Charles Tournemires “2ème Poème”, eine feinsinnige, meditativ schwebende Klangdichtung, ehe mit Marcel Duprés dreisätziger Evocation gleichsam die Synthese beider Gegensätze wiedergegeben wurde: Im dramatischen Finale werden äußerst energische Akkordschläge Klangflächen gegenübergestellt. Eine mitreißende, virtuose und mit feinem Ohr klanglich ausgeleuchtete Interpretation, die mit kräftigen Beifall belohnt wurde.

Bonner Rundschau, 2. September 2000

Timothy Tikker in St. Elisabeth

Besonders interessant erschien das Programm des zweiten Orgelabends im Rahmen des Orgelfestes in St. Elisabeth, das von Timothy James Tikker aus den USA ausschließlich mit Werken des 20. Jahrhunderts bestritten wurde. Tikker, in San Francisco geboren, hat mehrere wichtige Wettbewerbe gewonnen und such in Kozerten und Publikationen als Spezialist für französische Orgelmusik des 19. Und 20. Jahrhunderts ausgewiesen. Er studierte beispielweise auch bei Jean Langlais in Paris, wobei die Hauptakzente auf improvisation und der Musik Charles Tournemire lagen.

Dessen Symphonie-Choral d’orgue op. 69 von 1935 hatte er – als Hauptwerk quasi – ans Ende des Abends gesetzt. Tikker war ihm ein spieltechnisch souveräner und klangfarblich expressiver Interpret wie er es zu Beginn auch schon Max Regers Toccata und Fuge d-moll op. 59 von 1901 gewesen war. Die archaisierend-edle Fuge beispielweise zeichnet er sehr differenziert und überzeugend nach in ihrer feinsinnigen Entwicklung bis zum End-Höhepunkt.

Besonderes Interesse richtete sich dann auf die drei zeitgenössischen amerikanischen Stücke, die Tikker mit großer Intensität darbot. Vincent Persichettis stimmungs- und ausdrucksvolles Choral-Prelude “Drop, drop, slow tears” op. 104 von 1967 hob getragen an und behielt auch im weiteren Verlauf einen melancholisch-resignativen Grundcharakter bei… wohingegen Tikkers eigenes Stück, “Variations usr un vieux Noël”, in seinen altmeisterlich gehandhabten Veränderungen viel Raum bot für aparte Registerfarben.

Schließlich durfte auch ein weiter Schwerpunkt des Interpreten Tikker im Programm nicht felen: Olivier Messiaen. Von ihm hatte er sich die “Chant d’oiseaux” ausgewählt, die er sprechend tonmalerisch, köstlich facettenreich nachgestaltete. Viel beifall für einen bermerkswerten Abend.

– Barbara Kaempfert-Weitbrecht, Bonn General-Anzeiger, 25./26. April 1998